Modell und Methode zur Erfassung und Bilanzierung der in Schleifprozessen umgesetzten Energien

Teilprojektleiter

Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs, Dr.-Ing. Patrick Mattfeld: RWTH Aachen, Werkzeugmaschinenlabor, Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren

 

Motivation

Ein Großteil der im Schleifprozess eingebrachten Zerspanenergie wird in Wärme umgewandelt. Die entstehende Wärme wird auf die Komponenten Werkzeug, Werkstück, Kühlschmierstoff und Späne aufgeteilt. Je nach Auslegung dieser Komponenten, der Kühlschmierstrategie und der Prozessführung variieren die Größe und die Verteilung der Energieströme und beeinflussen damit die thermo-elastische Verlagerung der Maschinenstruktur während der Schleifbearbeitung. Die Zerspanung des Werkstückwerkstoffes erfolgt beim Schleifen durch unregelmäßig geformte, stochastisch angeordnete Schleifkörner auf der Schleifscheibentopographie und ist daher sehr komplex. Da der Verschleiß und die Kühlschmierstoffstrategie bei jedem Prozess verschieden ist, ist die Energieumwandlung und Wärmestromaufteilung im Schleifprozess nur unzureichend erforscht. Eine genaue Vorhersage der resultierenden Wärmeströme und Temperaturfelder im Schleifprozess ist daher bisher nicht möglich.

bild zum veranschaulichen der arbeit von a03

 

Zielsetzung

Die Wärmestromverteilung und die daraus resultierenden Temperaturfelder in der Zerspanzone sind jedoch von signifikanter Bedeutung für den Schleifprozess. So sind z. B. bei der Schleifbearbeitung einige Verschleißphänomene direkt oder indirekt temperaturgetrieben. In der Werkstückrandzone können zudem Werkstoffmodifikationen und Eigenspannungen entstehen, die das Einsatzverhalten und die Funktionalität des Bauteils beeinflussen. Des Weiteren stehen die Temperaturfelder und Wärmeströme eines Zerspanungsprozesses in Wechselwirkung mit dem technischen Verlagerungsfeld der Werkzeugmaschine.

Das übergeordnete Ziel des TP A03 ist die Bereitstellung eines parametrierten Energiemodells für die Energieumwandlung und Wärmeverteilung im Schleifprozess sowie die Entwicklung einer Methodik zur Erfassung und Bilanzierung der Wärmeströme. Hierzu wurden in der 1. Phase und 2. Phase, am Beispiel von der Tiefschleifbearbeitung des Werkstoffs 100Cr6 (AISI 52100) mit galvanisch gebundenen CBN-Schleifscheiben, die relevanten Wärmequellterme in der Zerspanzone und die Wärmeausbreitung auf die Komponenten Werkzeug, Werkstück, Kühlschmierstoff und Späne in Abhängigkeit von der Schleifscheibentopographie und den Prozessparametern bestimmt und ein empirisch-analytisches Energiemodell abgeleitet.

Ziel der Phase 3 ist das bestehende Energiemodell für den Schleifprozess um den Einfluss der Schleifscheibenverschleißes auf die Wärmeentstehung und Wärmeausbreitung zu erweitern. Des Weiteren gilt es für die thermo-energetische Gestaltung von Werkzeugmaschinen zu erforschen, wie die variierende Wärmeentstehung und Wärmeausbreitung über dem instationären Verschleißzustand des Schleifwerkzeugs durch eine bedarfsgerechte Kühlschmierstoffzufuhrstrategie thermo-energetisch ausgelegt werden kann. Dazu werden zuerst die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den Verschleißmechanismen Kornabflachung, Kornzersplitterung und Kornausbruch sowie den Prozesseingangsgrößen Korngeometrie, Prozessparameter und Kühlschmierstoff am einzelnen Schleifkorn untersucht. Auf Basis des Analogieschleifprozesses des Einkornritzens werden dafür die relevanten Verschleißmechanismen am einzelnen Schleifkorn für die Zerspanung des Werkstoffs 100Cr6 mit CBN identifiziert. Anschließend wird ein Erklärungsmodell entwickelt, dass über die Simulation des Einkorneingriffs in einem FE-Modell die Zusammenhänge zwischen Prozesseingangsgrößen und Verschleißmechanismen auf Basis der mechanisch-thermisch-chemischen Belastungen erklärt. Die hieraus gewonnen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge werden in ein empirisch-analytisches Vorhersagemodell für den Einkornverschleiß beim Einkornritzen untersucht. Schließlich erfolgt die Übertragung des Verschleißmodells für das Einkornritzen auf den realen Schleifprozess. Aufbauend auf den Ergebnissen werden das FE-basierte Erklärungs- und empirisch-analytische Vorhersagemodell für den Einzelkornverschleiß beim Einkorneingriff auf den Mehrkorneingriff beim Schleifen erweitert und mit den in Phase 1 und Phase 2 entwickelten Modellen gekoppelt. Ebenso wie der Verschleiß besitzt auch die Kühlschmierung einen Einfluss auf die Energiemodellierung im Schleifprozess. Daher wird ein weiterer Fokus der Phase 3 sein, durch eine bedarfsgerechte Anpassung der Kühlschmierung den Schleifprozess unter den thermo-energetischen Aspekten zu gestalten. Dazu wird ein innovativer Analogieprüfstand entwickelt, um die konvektive Wärmeabfuhr durch Kühlschmierstoff in Abhängigkeit von dessen Zufuhrstrategie zu quantifizieren und systematisch zu erforschen.